Von Flensburg nach Solferino
Rund 1400 Kilometer trennen Flensburg vom norditalienischen Solferino am Gardasee – aber beide Städte verbindet ein historischer Kontext von bemerkenswerter Dimension.
Mitte des vorvergangenen Jahrhunderts verursachten kriegerische Auseinandersetzungen in beiden Regionen unermessliches menschliches Leid: So am 24. Juni 1859, als in der Nähe von Solferino eine Schlacht zwischen Frankreich sowie Österreich stattfand. Die schrecklichen Folgen mit unendlich vielen Toten und Verwundeten veranlassten den Augenzeugen Henri Dunant dazu, spontan mit Einwohnern umliegender Gemeinden Hilfe zu organisieren. Letztlich motivierten sie ihn zur Gründung des Roten Kreuzes als neutrale Hilfsorganisation.
Seit 1992 gedenken Tausende Rotkreuzler aus ganz Europa dort mit einem Fackelzug (italienisch ‚Fiaccolata‘) der Gründung der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
In diesem Jahr beteiligt sich auch das Deutsche Rote Kreuz an dem traditionellen Fackellauf. Dieser verläuft durch Deutschland und Österreich bis nach Solferino. Ausgangspunkt war am 9. Februar 2023 Flensburg: Vier ehrenamtliche Bereitschafts-Mitglieder des örtlichen DRK-Kreisverbands übernahmen die Fackel, angezündet von Anette Langner, und absolvierten symbolisch die erste Etappe nach Glücksburg. „Mit unserer Teilnahme wollen wir all diejenigen ehren, die sich seit über 160 Jahren den Werten unserer Hilfsorganisation verpflichtet fühlen. Dieses ‚Licht der Hoffnung‘ ist ein Zeichen unverändert dringend notwendiger Menschlichkeit“, sagte die Vorstandsprecherin des DRK-Landesverbandes.
In einem Grußwort betonte auch Flensburgs Stadtpräsident Hannes Fuhrig die Bedeutung dieser „symbolträchtigen Aktion, die in Zeiten des völkerrechtswidrigen russischen Krieges gegen die Ukraine mit vielen Toten ein menschliches Zeichen setzt.“
Historisch relevant ist für das Flensburger DRK der Ort, an dem die Fackel entflammt wurde: Vor dem Gebäude am innerstädtischen Holm 39 wurde 1880 eine der ersten Rotkreuz-Bereitschaften überhaupt fotografiert. „Zudem ist bedeutsam, dass im Umfeld unserer Stadt die ersten beiden Rotkreuzdelegierten der Weltgeschichte tätig wurden“, erläuterte Marco Matzen, Vorsitzender des DRK-Kreisverbandes Flensburg. In Anbetracht des deutsch-dänisches Kriegs von 1864 hatte die Genfer gemeinnützige Gesellschaft zwei Delegierte auf beide Seiten der Kriegsparteien mit einer Rotkreuz-Armbinde entsandt – eine absolute Premiere.
In der Folge entstanden 1868/ 69 in Flensburg und Schleswig zwei der ersten sieben „LocalVereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger“ in Schleswig-Holstein. 1881 gründete sich in Flensburg ein „Vaterländischen Frauenverein“ und 1892 eine Sanitätskolonne.
Es sind also zwei kriegerische Ereignisse mit ihren brutalen Folgen, die parallel in Solferino und Flensburg nachhaltige mitmenschliche Hilfsbereitschaft initiierten – ganz im Sinne von Henri Dunant (Friedensnobelpreis 1901): „Helfen, ohne zu fragen wem!“
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Den am 09. Februar in Flensburg gestarteten „Fiaccolata“ nach Solferino setzen 12 weitere Kreisverbände sowie die DRK-Schwesternschaft Lübeck durch Schleswig-Holstein fort. Er endet am 17. Februar mit der Übergabe an das Hamburger Rotkreuz – und am 24. Juni in Solferino.